Mein Jahr in Lettland
Montag, 29. September 2014
Ueber das Taize-Wochendende und das Glueck hier zu sein.
Wir waren von Freitag bis Sonntag in Riga beim baltischen Taizé-Wochenende. Paula und ich waren schon zwei Mal in Taizé und H. hat schon viel Taizé-andachten in ihrer Gemeinde in Deutschland mitgemacht, so dass wir uns schon lange drauf gefreut haben.
J. hat uns und ein paar Jugendliche aus der kath. Kirche nach Riga gefahren. Um fünf haben wir uns registrieren lassen, aber durch mehrere Umstände, die ich jetzt nicht kleinlich erörtern möchte, sind H. Paula und ich erst ca. um sieben in unserem Quartier angekommen. Es ist verrückt, wie haben bei zwei deutschen Freiwilligen, die H. kannte geschlafen und eine von ihnen wohnt in einem Dorf, dass gerade mal ca. 12 km von Herrnhut entfernt ist. Und erst jetzt haben wir uns kennengelernt. Die Welt ist so klein. Wir haben uns über unsere „Einsatzstellen“ unterhalten und ich habe wieder einmal festgestellt, dass wir es total gut haben.
1. Ich fühle mich gebraucht. Ich sitze nicht den ganzen Tag rum und puzzle mit den Kindern.
2. Jeder der etwas von mir will, spricht mich auf Deutsch oder Englisch an. So ein Luxus.
3. Fast alle sind nett zu mir.
4. Wenn ich sage, ich habe keinen Hunger mehr, dann wird das fast akzeptiert. ;)
5. In der Kalna Skola ist alles sehr familiär. Ich glaube das ist das Wichtigste. Wenn man sich gut kennt, dann hat man nicht dieses unangenehme Gefühl, jemand ist sofort verletzt, wenn man etwas höflich versucht abzuweisen (wie z. B. etwas Zuessen).
Am Freitagabend waren wir Mädchen zwar alle ziemlich geschafft (Warum hat man nach einer langen Autofahrt gleich das Gefühl, man hätte sonst wie schwer gearbeitet?), aber wir wollten den Abend nicht ungenutzt lassen. Also hat uns H. ein bisschen die Stadt gezeigt, sie hat ja ihre 1. Woche in Lettland in Riga verbracht.
Riga ist die 1. Stadt, die ich wirklich schön finde. Sonst habe ich immer gedacht, dass ich eine Stadt nicht romantisch oder friedlich finden kann, aber Riga ist es. Auch wenn man in der Nacht auf einer Autobrücke die Daugava überquert, kommt es einem ruhig vor, denn man sieht die Lichter der Altstadt, die sich im blauen Wasser der Daugava spiegeln und der Fluss ist riesig und sauber. (Ich habe schon die Themse gesehen. Also, wenn ihr euch die Daugava vorstellen wollt, stellt euch einfach das Gegenteil der Themse vor.) Bei der Vinšu tilts (eine Brücke) ist sie 450 m breit, und das ist bei weitem nicht die breiteste Stelle des Flusses in Riga.
Dadurch, dass wir erst so spät angekommen sind, hatten wir gleich die erste Abendandacht verpasst, was wir ärgerlich fanden, denn abends ist es immer am schönsten. Dann ist es so friedlich, die Kerzen brennen, alle sind müde und es ist so gemütlich.
Wir sind aber trotzdem schon zu der Kirche gegangen, in der die Mittags- und Abendandachten waren und sie war offen. Drinnen waren noch viele, die am Kreuz beten wollten und es lief Taizémusik vom Band. Wir sind eine Weile geblieben um zu beten und zur Ruhe zu kommen.
Danach waren wir in einem Café. Es war etwas teurer, weil wir nichts Preiswerteres gefunden haben und mit der hippen Discomusik das totale Kontrastprogramm zur Kirche.
Am Samstag sind wir frühs (ja, ich weiß, dieses Wort gibt es nicht, aber ich lasse mich nicht vom Hochdeutsch einsperren!) zum Morgengebet St. Johns Kirche gegangen. Zufälligerweise war Jakob auch dort. Nach dem Gebet hatten wir Gesprächsgruppen. Wir wurden von unseren Freunden getrennt in die Gruppen aufgeteilt, was ich eigentlich echt gut fand, aber ich habe eine total schüchterne Gruppe abbekommen und die meisten konnten sich auf Englisch nicht so gut ausdrücken. Ich dachte immer, ich bin nicht so selbstbewusst, aber dort war ich eine der Offeneren. Es war ganz nett, aber es hat mich nicht gerade bereichert.
Das Mittagsgebet war echt schön. Die St. Petri Kirche hatte man mit Teppich ausgelegt, wie in Taizé. Und ich habe neue Lieder kennengelernt.
Am Nachmittag waren wir bei zwei Workshops. Der 1. war singing-practice. Erst habe ich mich einfach nur gefreut die Lieder aus Taizé zu singen, aber nicht erwartet, viel Neues zu lernen. Aber dadurch, dass wir viele lettische, polnische und russische Lieder gelernt haben (ich habe Alt gesungen, obwohl ich eigentlich Sopran bin) war es äußerst lehrreich. Es hat sehr viel Spaß gemacht.
Als Zweites waren wir bei einem Orgelkonzert. H. konnte sich echt dafür begeistern, was ich total super finde, aber ich fand es ehrlich gesagt nicht so gut. Es wurde viel atonale Musik gespielt. Ich finde das sehr interessant, aber genießen kann ich es nicht.
Als wir zurück zum Abendgebet gegangen sind, sind wir über einen Herbstmarkt gegangen, wir haben aber nichts gekauft. Es gab vielen Bernsteinschmuck, Früchte und gestrickte Socken.
Das Abendgebet war das schönste Erlebnis des ganzen Wochenendes. Wir sind länger geblieben, zu der Zeit, in der einfach nur noch gesungen wird und man sich reinsetzen kann, wenn man will. Erst habe ich mitgesungen, aber dann wurde ich zu müde um die Alt-Noten und den fremdsprachigen Text zu lesen. Außerdem wurden auch Lieder angestimmt, die nicht auf dem Liedzettel standen. Also habe ich mich hingelegt, die Augen geschlossen und gelauscht.
Da ist mir klar geworden, wie gut es mir hier geht. Ich war so dankbar. Der Moment war so etwas wie perfekt, auch wenn das jetzt abgeschmackt klingt.
Hätte mich J. gefragt: „Are you happy?“, –wie er es die Freiwillige vor uns mehrmals täglich gefragt hat, wie er erzählt hat– ich hätte bereitwillig zehnmal am Tag „Yes.“, geantwortet. Und nicht einfach so dahin.
Ich bin glücklich! Alle sorgen sich um mich. Ich bin niemandem egal. Ich werde gebraucht und ich kann helfen.
Am nächsten Morgen haben wir uns um neun in der Gastgemeinde, also der St. Johns Kirche getroffen, aber es war nichts richtiges geplant, wie im Programm stand, also haben wir geredet. Es waren zwei Ukrainerinnen da. Es war sehr interessant ihnen über die Proteste und den Krieg zuzuhören. Sie kamen aus Kiew und haben selbst mitdemonstriert.
Dann war der Gottesdienst, aber ich habe die Predigt nicht verstanden, da nur ganz wenig zusammenhangsloses Zeug auf Englisch übersetzt wurde.
Dann gab es in der Gastgemeinde Mittagessen für die, die keine Gastfamilien hatten. Es war sehr lecker und sehr viel, wie überall in Lettland. Dann war nach einiger Zeit das letzte Gebet und danach sind wir wieder in die Schule zurückgefahren. Wie auch auf der Hinfahrt, saßen Paula und ich vorn neben dem Fahrersitz und wie auch bei der Hinfahrt haben wir mit J. über alle möglichen Dinge geredet: Glaube, Politik, Gesellschaft, und und und. J. bringt mich dazu über Dinge nachzudenken, über die ich vorher noch nie nachgedacht habe. Ich glaube in den letzten drei Wochen habe ich mehr tiefsinnige Gespräche geführt, als das ganze halbe Jahr davor. Und ich werde es nicht müde. J., falls du dich aufraffen kannst das zu lesen :) (trotz der Sprache), Danke!
Also nochmal, als Schlusssatz:
Ich bin glücklich. I am happy. Es esmu laimīga!
Danke! Thank you! Paldies!
Macht euch keine Sorgen um mich! Freut euch für mich!


Die Altstadt, von der Bruecke aus fotografiert.


In der Altstadt.


St. Petri Kirche beim Mittagsgebet.


St. Petrikirche beim Abendgebet.

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Letzte Aktualisierung: 2015.10.30, 05:34
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